In Friedrich Schillers Drama Maria Stuart wird die Rolle der Frau in einer von Männern dominierten Welt sehr deutlich gezeigt. Im Mittelpunkt stehen zwei Frauen: Maria Stuart, die Königin von Schottland, und Elisabeth I., Königin von England. Es geht vor allem um die Frage, wer die wahre, also legitime, Macht hat. Beide Frauen kämpfen mit inneren Konflikten, die sie durch die Handlung prägen.
Maria verkörpert das Ideal einer Frau. Denn sie wird als Königin von Schottland, in England festgenommen. Obwohl es schlecht aussieht für Maria, hat sie als Frau die Oberhand gegenüber Elisabeth. Denn Maria ist zwar politisch geschlagen, aber als Frau ist sie besser als Elisabeth. Doch am Anfang war es nicht so. Maria hatte einen eigenen Konflikt mit sich selbst, der darin bestand, dass sie immer Dinge gemacht hat, die ihr selbst schaden. Denn sie hat eine magische Wirkung auf Männer. Alle Männer glauben, dass sie gesellschaftlich aufsteigen würden, wenn sie sie befreien. Für die Frau ist es schwierig an einer Machtposition zu sein, ohne dass sie ausgenützt werden. Sie hat also eine unbewusste Macht auf Männer, doch gerade dieser ungewollte Einfluss treibt machtgierige Männer zum Handeln. So wird sie zugleich zur lenkenden Figur und zum Sündenbock männlicher Ambitionen. Und gleichzeitig entmenschlicht Elizabeth Maria, indem sie sie auf ihre Sexualität reduziert, als Frau, die Männer nur zur Lust und Macht benutzt. Maria wird so provoziert, dass ihr keine Wahl bleibt. Sie muss zurückschlagen, um ihre Würde zu bewahren. So statt als Königin zu weinen, entscheidet sich Maria als Frau zu lachen und ist im Reinen mit sich. Obwohl sie im Gefängnis sitzt und hingerichtet wird, wirkt sie am Ende freier als Elisabeth.
Im Gegensatz zu Maria steht Elisabeth als Königin, die die ganze Macht hat und nicht weiss, wie sie sie richtig nutzen soll. Ihr innerer Konflikt wird besonders deutlich in der Entscheidung über Marias Schicksal, denn als Frau zögert sie aus Mitleid und Unsicherheit, als Herrscherin muss sie Stärke zeigen und richtet Maria trotzdem hin. Doch als Frau kann Elisabeth nicht mit dieser Entscheidung umgehen, und gibt ihrem Berater letztendlich die Schuld und Verantwortung. Sie will handeln wie ein König, aber als Frau nicht öffentlich verurteilt werden. Sie will Macht ausüben, ohne die Schuld gegen aussen zu tragen. Damit versucht sie, ihr Bild beim Volk zu wahren, doch der Preis ist hoch. Sie verliert ihre persönliche Unschuld und ihre innere Ruhe. Sie ist schlussendlich nicht im Reinen mit sich selbst, wie Maria.
Was Schiller in Maria Stuart aufzeigt – die Spannung zwischen weiblicher Identität und politischer Macht – ist auch heute noch ein zentrales Thema. Zwar leben wir nicht mehr in Monarchien, doch die Frage bleibt aktuell: Wie können Frauen Macht ausüben, ohne dafür verurteilt oder reduziert zu werden?
Noch immer erleben viele Frauen in Führungspositionen ähnliche Konflikte wie Elisabeth: Wer als Frau entschlossen handelt, gilt schnell als „kalt“, wer Mitgefühl zeigt, als schwach. Diese doppelten Standards sind nicht verschwunden. Auch heute werden Frauen oft auf Äußerlichkeiten reduziert oder müssen sich stärker beweisen als Männer – ein Muster, das Elisabeth im Drama bei Maria selbst anwendet.
Die Figur Maria zeigt, dass man auch ohne offizielle Macht stark sein kann – zum Beispiel durch Selbstbewusstsein, Würde und Ehrlichkeit. Solche Stärke sieht man heute bei vielen Frauen, die anders führen als früher. Sie arbeiten gemeinsam mit anderen, zeigen Mitgefühl und übernehmen Verantwortung. So stellen sie alte Regeln in Frage und zeigen, dass es auch andere Arten von Führung gibt.
Auch soziale Medien haben vieles verändert: Man kann dort gesehen werden und Einfluss haben, aber es gibt auch viel Druck, sich immer perfekt zu zeigen. Die eigene Identität wird öffentlich und ständig bewertet. Heute geht es weniger darum, wer Macht hat, sondern wie man sie nutzt – und was das für Folgen hat. Schillers Drama erinnert uns: Wahre Stärke liegt oft nicht im Sieg, sondern darin, sich selbst treu zu bleiben – auch wenn man dafür einen hohen Preis zahlt.